„Wir benötigen in Deutschland ein anwendbares Rahmengesetz, ein Einwanderungsgesetz, das den Menschen aus dem Senegal eine Chance eröffnet, hier bei uns in Deutschland eine Ausbildung in besonders stark gefragten Berufen zu absolvieren und auch hier zu arbeiten“, sagte Christine Kamm im Bayerischen Landtag vor rund 260 Gästen aus ganz Bayern, darunter viele Menschen aus dem Senegal. Im Mittelpunkt der Veranstaltung „Senegal - „sicheres“ Herkunftsland?“ der bayerischen Grünen stand die Analyse der Situation im Senegal durch Heidi Schiller von der Entwicklungsorganisationen „Kaito-Eneregie für Afrika“ und Marcus Öfele von der Katholische Landvolk Bewegung. Beide engagieren sich seit Jahrzehnten im Senegal. Über die aktuelle Situation der Senegalesen in Bayern berichtete Stephan Dünnwald vom bayerischen Flüchtlingsrat.

Der Senegal wurde 1993 zum „sicheres Herkunftsland“ bestimmt. Seitdem sind im deutschen Asylrecht die Verfahrensrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten für Senegalesen eingeschränkt. Mit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes Ende 2015 besteht für Senegalesen in Deutschland zusätzliche ein Ausbildungs- und Arbeitsverbot. „Die von den Unternehmen und Ausbildungsbetrieben hoch gelobte und willkommene Lösung 3 + 2 vom Bundesintegrationsgesetz, also drei Jahre ausbilden, zwei Jahre arbeiten, wird damit in Bayern wirkungslos für bereits gut integrierte Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“, kritisierte Christine Kamm.
Im Senegal: Lokale Wertschöpfung und Unternehmertum fördern
„Wir brauchen sowohl ein Asylgesetz, als auch ein Einwanderungsgesetz. Solange es nur das Asylrecht, also nur diese eine Tür gibt, durch die man nach Deutschland kommen kann, werden Menschen versuchen, durch diese Tür zu gehen“, sagte Heidi Schiller. Sie berichtete, dass die Menschen im Senegal vor allem ländliche Gebiete verlassen, weil es dort an Perspektiven fehle. „Wir brauchen vor Ort lokale Wertschöpfung und vor allem gute Vorbilder für gelingendes Unternehmertum“, sagte sie. Mit ihrem Projekt will sie einen Beitrag zu dieser Entwicklung leisten. „ Kaito – Energie für Afrika“ sorgt für autarke Stromversorgung selbst in entlegenen Gebieten und regt immer wieder zu regionalen Initiativen an, wie zum Beispiel zur lokalen Imkerei oder zur Binnenfischzucht. Das neueste Projekt von Kaito plant die Herstellung von Bauplatten aus einer Pflanze, die im Norden des Senegals häufig vorkommt: der Typha Australis. „Das ist ein 100prozentig ökologischer Baustoff, eine lokale
Ressource, die wir auch lokal verwerten möchten“, berichtete Schiller und betonte, dass der neue Baustoff preiswerter als teurer importierter Zement sei. Zudem schaffe das Unternehmen 300 Arbeitsplätze vor Ort.
Zunahme von Wetterextremen
Marcus Öfele berichtete von positiven und negativen Entwicklungen im Senegal. So gäbe es gute Straßen auf einer Hauptverbindungsachse durch das Land, Märkte böten alle lebensnotwendigen Waren an und Kinder hätten Zugang zu Bildung. Anderseits gäbe es wenig eigene landwirtschaftliche Produkte, weil die Bodenqualität durch eine zunehmende Versalzung sinken würde. Auch die Zunahme von Wetterextremen und der Rückgang der Niederschläge während der Regenzeit schade der Landwirtschaft. Die Fischfangrechte seien in den Händen internationaler Konzerne und die Müllentsorgung problematisch. Auch er beobachtete ein großes Gefälle zwischen modernen Städten und ländlichen Gebieten.

Abschiebung trotz Aussicht auf sicheren Ausbildungsplatz
Dies bestätigten etliche der anwesenden Menschen aus dem Senegal: „Wir haben im Senegal keine Perspektive, also machen wir uns auf den Weg in ein Land mit Perspektiven“, sagte ein Diskussionsteilnehmer. Ein weiterer ergänzte: „Wir würden diese selbstmörderische Tour niemals freiwillig auf uns nehmen, wenn wir nicht müssten.“ Auch die Bereitschaft, hier zu arbeiten und Deutschland dadurch zu bereichern, statt seinen Bürgerinnen und Bürgern zur Last zu fallen, wurde häufig artikuliert. „Wir wollen arbeiten und wir können arbeiten“, betonte ein Senegalese.
Genau dies sei aber noch nicht einmal Menschen möglich, die bereits die Zusage für einen stark nachgefragten Ausbildungsplatz haben, beispielsweise in der Altenpflege, berichtete Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Eine Diskussionsteilnehmerin aus dem Senegal, die seit Jahrzehnten in Deutschland als Krankenschwester arbeitet, beschrieb die absurde Situation, dass Deutschland einerseits in asiatischen Ländern Nachwuchs für den pflegerischen Bereich anwerbe, anderseits Menschen zwänge, Deutschland wieder zu verlassen, die bereits hier seien und genau in diesem Bereich arbeiten wollten.

In Deutschland angekommene Senegalesen möchten hier arbeiten
Seit dem Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes Ende 2015 beobachtet Stephan Dünnwald, dass in Bayern dieses Gesetz sehr hart, kompromisslos und systematisch angewandt wird. Nicht Senegalesen seien darüber empört, die Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung stoße auch Ehrenamtliche und Betriebe vor den Kopf, die den Menschen Deutschunterricht gegeben hätten und ihnen geholfen haben, einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeit zu finden, berichtete Dünnwald. Abschließend betonte Christine Kamm, dass sie sich dafür einsetzen werde, dass die im Bundesintegrationsgesetz gegebene Zusage eingehalten werde, dass in Deutschland Asylbewerbern eine Ausbildung ermöglicht und im Anschluss daran zwei Jahre ein Arbeitsplatz zugesichert werde. „Ich möchte, dass die Senegalesen eine echte Wahl haben, wo sie leben können“, so Kamm.
